Verständlichkeitsforschung an der Universität Hohenheim
Die Klartext-Initiative ist ein Kooperationsprojekt des kommunikationswissenschaftlichen Lehrstuhls von Prof. Dr. Frank Brettschneider (540C) und der Hochschulkommunikation der Universität Hohenheim. Am Lehrstuhl von Prof. Brettschneider beschäftigt man sich schon länger wissenschaftlich mit dem Thema Verständlichkeit. Bislang wurde z.B. die Verständlichkeit von Politikern, Parteien, Gewerkschaften, Banken und Unternehmen untersucht. Diese Forschungsprojekte wurden teilweise als Projektseminare mit Studierenden durchgeführt.
Gründe für Unverständlichkeit
"Am häufigsten treten Verständlichkeitsprobleme bei der Kommunikation zwischen Experten und Laien auf", erklärt Prof. Brettschneider. Typische Beispiele sind Politikerreden, Vorträge von Wissenschaftlern oder auch das häufig kritisierte Amtsdeutsch. Ein Grund hierfür liegt im sogenannten "Fluch des Wissens": Experten verlieren durch die ständige Beschäftigung mit ihrem Fachgebiet die Fähigkeit, sich in die Verständnisvoraussetzungen von Laien hineinzuversetzen. Das wiederum führt zur "Illusion der Einfachheit": Man bildet sich ein, klar und deutlich zu schreiben oder zu sprechen, obwohl die Kommunikationspartner kaum etwas verstehen. Ein zweiter Grund liegt in juristischen Vorgaben: Damit Texte rechtssicher sind, sind bestimmte Formulierungen teilweise sogar gesetzlich vorgeschrieben. Für Laien sind juristisch korrekte Ausdrucksweisen aber meistens gleichzeitig auch eher unverständliche Ausdrucksweisen. Und ein dritter wesentlicher Grund ist, dass dem Thema Verständlichkeit nicht immer die nötige Aufmerksamkeit und die dafür nötige Zeit gewidmet wird. Die Produktion verständlicher Texte braucht jedoch gewisse Kompetenzen und vor allem gewisse Ressourcen.
Bedeutung einer verständlichen Kommunikation
Denn: Verständliche Texte erleichtern das Verstehen. In vielen Gesellschaftsbereichen werden die zu vermittelnden Informationen immer komplexer. Gleichzeitig steigt die Informationsbelastung der Menschen. Hier können verständliche Texte hilfreich sein und die Hürden senken. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders für Verwaltungen, die sich mit ihrer Kommunikation an eine sehr heterogene Adressatenschaft richten, insbesondere was Alter, Bildung und spezifische Vorkenntnisse anbelangt. Es sollte kein Privileg ausgewählter Gruppen sein, die Kommunikation öffentlicher Einrichtungen zu verstehen, die immerhin von allen Bürgerinnen und Bürgern mitfinanziert wird. Neben dem Verstehen können verständlichere Texte darüber hinaus dazu beitragen, die Zufriedenheit und den Kenntnisstand der Adressaten zu erhöhen. Wer verstanden hat, was er oder sie zu tun oder zu lassen hat, muss außerdem nicht nachfragen. Beschwerden und Schadensfälle können ebenfalls vermieden werden. Und das ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Verwaltungen oder Unternehmen hinter den Schrieben von Vorteil.
Computergestützte Messung von Verständlichkeit
Wenn doch der "Fluch des Wissens" oder die "Illusion der Einfachheit" eindeutig zeigen, dass (Un-)Verständlichkeit etwas allzu Menschliches und Subjektives ist - wie kann es sein, dass wir menschliche Sprache einfach so computergestützt analysieren und auf eine Zahl reduzieren können?
Tatsache ist: Die quantifizierbaren Merkmale eines Textes lassen sich mit unterschiedlichen Verarbeitungsprozessen und -kosten in Verbindung bringen. Längere Wörter werden länger fixiert bzw. betrachtet als kurze, was dafür spricht, dass man länger braucht, um sie zu verarbeiten. Längere, möglicherweise verschachtelte Sätze sind eine größere Herausforderung für unser Gedächtnis. Kommen dann noch die individuellen Lesefähigkeiten und die thematische Vertrautheit als personenbezogene Eigenschaften hinzu, wirken sich unterschiedliche Ausprägungen quantitativer Textmerkmale auch unterschiedlich auf das Textverständnis aus.
Das bedeutet: Satz, Satzteil- und Wortlängen haben einen Einfluss darauf, wie schwer es für Leserinnen und Leser mit unterschiedlichen Voraussetzungen tendenziell ist, die Bedeutung eines Textes zu erfassen. Wir können diese objektiv und ökonomisch messbaren Textmerkmale also als Indikatoren nehmen und auf ihrer Basis eine Aussage darüber treffen, wie schwierig es tendenziell sein wird, den Text zu verarbeiten. Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex vergleicht Texte dafür zusätzlich mit Stellvertretern besonders komplexer und einfacher Textsorten. Auf diese Weise bietet er eine Einordnung der Ergebnisse. Und dann ist es tatsächlich möglich, anhand einer Zahl ein Urteil darüber zu fällen, wie schwer verdaulich ein Text innerhalb eines Spektrums leichter und schwieriger Texte ist. Natürlich ist der Text dann immer noch nicht für alle Menschen gleichermaßen verständlich. Wer sich aber beispielsweise mit der Lektüre einer politikwissenschaftlichen Dissertation schwer tut, wird auch an einem Text, der ähnliche Ausprägungen der berücksichtigten Textmerkmale hat, zu knabbern haben.
Eine Ergänzung zum eigenen Können
Die Analyse und Optimierung von Texten ist also computergestützt möglich. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass wir das Denken vollständig der Software überlassen können. Gerade bei inhaltlichen Fragen ist der Mensch mit seinem Wissen gefragt. Nicht immer werden alle Hinweise eines Computerprogramms sinnvoll sein. Und wenn es darum geht, einen Sachverhalt zu umschreiben, ist der Mensch auch weiterhin unschlagbar. Anders gesagt: "Ob der Inhalt des Textes gut ist, kann wohl am besten ein fachkundiger Mensch beurteilen. Automatisierte Verständlichkeitsanalysen helfen uns aber dabei, die 'Verpackung' unserer Texte zu verbessern", sagt Claudia Thoms, Mitarbeiterin am Fachgebiet. So stellen wir nicht von vornherein Hürden für Leserinnen und Leser auf, die eben keine Expertinnen und Experten auf einem bestimmten Gebiet sind.